Die Ultrà-Bewegung hat ihre Wurzeln im Italien der frühen 50er und 60er Jahre, als sich erstmals „fußballverrückte“ Jugendliche in Gruppen zusammenschlossen, um ihre jeweiligen Lieblingsmannschaften gemeinsam organisiert zu unterstützen. Der Name der Bewegung geht angeblich auf eine italienische Zeitung zurück, die Anhänger des FC Turin als Ultrà bezeichnete, als diese nach dem Spiel einen Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgten.[1] Zudem entspringt das Wort Ultra dem Lateinischen und bedeutet auf Deutsch darüber hinaus. Wo und wann genau die erste Ultràgruppierung in Erscheinung getreten ist, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls zählen wohl die Ultras Fedelissimi Granata (gegründet 1951) aus Turin und Ultras Sant Alberto aus Genua zu den ersten Ultras in Italien. Graffiti von Ultrà-Gruppierungen an Genuas Hauswänden aus dem Jahr 1968 bilden ebenfalls einen Beleg für das Ent- und Bestehen der Ultrà-Bewegung.[2]
In den Anfangsjahren waren es nur relativ wenige Jugendliche und Erwachsene, die sich aber mit Hilfe von Balkenschals, Trommeln, Choreografien und Feuerwerken von den anderen Tifosi unterschieden. Die Ultràs organisierten dann auch ihre ersten gemeinsamen Auswärtsfahrten, Choreografien und diverse Vereine. Die Bewegung breitete sich jedoch rasch aus, und in weiten Teilen Europas bildeten sich entsprechende Gruppierungen. Großbritannien ist eines der wenigen Länder, in dem die Ultrà-Bewegung bisher keinen Anklang finden konnte. Die liegt unter Anderem darin begründet, dass sich jüngere Anhänger den Stadionbesuch aufgrund der dort üblichen sehr hohen Eintrittspreise zumeist nicht leisten können.
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Italien
Die mitgliederstärksten Jahre der italienischen Ultrà-Bewegung waren die 80er-Jahre. Aber auch heute noch gibt es einige Gruppen, die mehr als 10.000 Mitglieder haben. Einige wichtige Gruppen sind: Irriducibili Lazio, Ultras Granata, Brigate rossonere Milan, Brescia MU 1911, Curva Nord Bergamo. Die berühmtesten Gruppierungen, die die italienische Ultramentalität geprägt haben, haben sich wegen der andauernden Repression seitens der Lega-Calcio und der Polizei aufgelöst; Hierbei sind anzuführen: Brigate Gialloblu 71 Verona, FdL Milan, Bna Atalanta, Commando Ultras Napoli, Verona Front.
Aufgrund der sehr hohen Mitgliederzahlen einiger Gruppen haben diese oft einen großen Einfluss auf die Vereinspolitik. So durfte z. B. die mittlerweile aufgelöste Fossa dei Leoni entscheiden, was von wem in ihrer Fankurve verkauft werden darf. Allein wegen dieser vereinspolitischen Macht veschrieben sich einzelne Gruppen auch einer bestimmten politischen Richtung. So gibt es rechtsextreme Fangruppen wie die Irriducibili Lazio, aber auch neutrale oder linksextreme wie die momentan inaktiven Brigate Autonome Livornesi des AS Livorno Calcio.
Frankreich
Durch die Nähe zu Italien entwickelte sich in den 80er Jahren besonders im südlichen Frankreich ebenfalls eine Ultrà-Szene. Die ersten Gruppen bildeten sich in Marseille, nämlich das Commando Ultrà 84 und die South Winners 87. Beide Gruppen sind heute noch aktiv und gehören zu den kreativsten und meistgeachteten Gruppen. Darüber hinaus sind sie für ihre antifaschistische und antirassistische Grundeinstellung bekannt. In Paris bildete sich mit den Boulogne Boys im Jahre 1985 ebenfalls eine erste Ultrá Gruppe. Mit der Zeit breitete sich die Ultrà Bewegung über ganz Frankreich aus und die große Gruppen gewannen rasch an Einfluss. So übernehmen in Marseille die Gruppen den Ticketverkauf für ihre Kurven selbst und üben so eine große Macht auf den Verein aus. Zu den bedeutendsten Szenen gehören nach wie vor Marseille und Paris, wo die Ultrà-Gruppen beide Kurven im Stadion einnehmen. In Paris sind neben den Boulogne Boys die Gruppen Supras Auteuil, Lutece Falco, Authentiks und Tigris Mystic zu nennen, wobei letztere von den Boys und rechtsradikalen Hooligans aus dem Stadion gedrängt wurde. Darüber hinaus verfügt Saint-Étienne mit den Gruppen Magic Fans und Green Angels über eine große Ultrà-Szene.
Deutschland
Choreographie der Wilden Horde, Ultrà-Gruppierung des 1. FC Köln
Choreographie der UF97, Ultrà-Gruppierung von Eintracht Frankfurt
Deutschland erreichte die Bewegung erst Anfang der 1990er; erste Gruppe auf deutschem Boden waren wohl 1986 die Fortuna Eagles aus Köln. Mittlerweile existieren bei fast allen Vereinen der oberen drei Ligen, aber auch in hierarchisch tieferen Spielklassen Gruppen, die sich selbst als Ultràs sehen. Die größte Ultrà-Gruppierung Deutschlands befindet sich mittlerweile in Frankfurt.[5] In vielen Fanszenen spielen die Ultràs allein schon deswegen eine dominante Rolle, weil es keine weiteren Gruppierungen gibt, die ihnen ihren Platz streitig machen könnten. Das daraus resultierende Missverständnis, die Ultràs hätten einen Alleinvertretungsanspruch der Kurve und Befehlsgewalt über den Fanblock, führt immer wieder zu Konflikten zwischen Ultràs und unorganisierten Fans. So kommt es gelegentlich auch zu Auseinandersetzungen innerhalb einer Kurve. Auslöser dafür sind meistens Rufe von Personen, die verlangen, dass die Ultras absitzen und die Fahnen am Boden halten sollen (da diese die Sicht versperren). Andere kritisieren Ultras für körperliche Angriffe oder Einschüchterung von Nicht-Ultras.
Da Feuerwerkskörper aller Art in deutschen Stadien verboten sind, kommt es mittlerweile fast nur noch in unteren Ligen zum Einsatz von bengalischen Feuern und ähnlichen Mitteln. In der Bundesliga ist der Einsatz von pyrotechnischen Materialien zumindest im Ligabetrieb selten geworden.
Österreich
Auch in Österreich gibt es einige Ultrà-Gruppierungen mit einem unterschiedlichen Grad an Aktivität und Bekanntheit.
Die älteste und international bekannteste Gruppe sind die Ultras Rapid 1988, die auf der „Block West“ genannten Westtribüne des Gerhard-Hanappi-Stadions den SK Rapid Wien unterstützen. Sie sind eine der wenigen Ultrà-Gruppierungen in Europa, die bei jedem Spiel eine Choreographie zeigen. Die Ultras Rapid wurden 2005 von der T.I.F.O. (Torcida International Fans Organisation) zur Gruppierung mit den besten Choreographien in Europa gewählt.
Die Kurve des SK Sturm Graz beheimatet neben der bekanntesten Gruppe, der Brigata Graz 1994 auch die Grazer Sturmflut 96 und die Jewels Sturm. Die Salzburger Gruppierungen Union Ultrà '99 und Tough Guys Salzburg 92 litten sehr stark unter der Übernahme ihres Klubs Austria Salzburg durch Red Bull, da diese in weiten Teilen der Salzburger Fanszene auf Ablehnung stieß. Beide Fangruppierungen unterstützen jetzt die neue Austria Salzburg. Zu erwähnen ist auch die Ultràfanszene des FC Wacker Innsbruck, wo die Verrückten Köpfe 1991 und Nordpol Innsbruck beheimatet sind. Bei der Austria Wien sind die Fedayn 1995, Viola Fanatics 2001 und Boys Viola 2003. Doch auch dort gibt es durch den Einstieg des Hauptsponsors Magna und der damit verbundenen Umbenennung des Vereins in FK Austria Magna Wien Probleme.
Portugal
Auch in Portugal gibt es einige Ultrà-Gruppierungen. Die bekanntesten sind die Diabos Vermelhos und No Name Boys (abgekürzt NN) von Benfica Lissabon. Außerdem gibt es noch die Super Dragões vom FC Porto, sowie die Juve Leo und Torcida Verde von Sporting Lissabon. Alle anderen Ultrà-Gruppierungen sind eher weniger bekannt.
Türkei
Wie im gesamten Balkanraum gehört auch die Szene in der Türkei zu den ausgeprägtesten Ultrà-Bewegungen Europas. Neben den Gruppen der İstanbuler Großklubs ultrAslan (Galatasaray), Kill For You (Fenerbahçe) und Çarşı (Beşiktaş) gibt es auch etabilierte Gruppen vieler anatolischer Mannschaften, wie z.B. Teksas (Bursaspor), Gecekondu (Ankaragücü), Tatangalar (Sakaryaspor) und Karşıyaka Çarşı (Karşıyaka SK). Der Türkische Fussballverband und die Vereinsvorstände entscheiden zu Saisonbeginn, ob Ultrà-Gruppierungen Spiele in den Stadien der "Erzrivalen" besuchen dürfen. Hin und wieder bekommen auch die Spieler die Rivalitäten in Form von Feuerzeugen, Kleingeld oder Plastikflaschen zu spüren. Bei folgenden Begegnungen kommt es nicht selten zu Ausschreitungen: Galatasaray - Fenerbahce, Bursaspor - Beşiktaş, Karşıyaka SK - Göztepe. [6]
Griechenland
Die Szene in Griechenland gilt als eine der extremsten Europas. Bei Duellen der großen Clubs im Großraum Athen (Olympiakos Piräus, Panathinaikos Athen, AEK Athen) kommt es häufig zu schweren Ausschreitungen. Deshalb ist es den dortigen Ultrà-Gruppierungen seit einigen Jahren verboten, Derbys im Stadion des Gegners zu besuchen. Die bekanntesten Gruppen sind Gate 13 (Panathinakos), Gate 7 (Olympiakos Piräus), Gate 4 (PAOK) und Original 21 (AEK).
Kroatien
Die älteste Ultrà-Gruppierung in Kroatien ist die sog. Torcida von Hajduk Split. Die Gruppe hat ihre Wurzeln im Jahr 1950, als im Vorfeld eines entscheidenden Meisterschaftsspiels eine nach heutigen Maßstäben ultrà-artige Unterstützung organisiert wurde. Nach dem raschen Verbot durch die jugoslawische Staatsführung und der in den folgenden Jahren zwangsweise unorganisierten Anhängerschaft erfolgte 1980 eine Wiedergeburt. Heute sind die 1986 gegründeten Bad Blue Boys vom Hauptstadtklub Dinamo Zagreb die größten Rivalen in der Szene. Zwischen den Mitgliedern der rivalisierenden Gruppen kommt es häufig zu schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen. Des weiteren erwähnenswert ist die Gruppe Armada, die den Verein HNK Rijeka unterstützt.
Serbien
Auch in Serbien gibt es bei vielen Vereinen Ultrà-Gruppierungen. Die größten Gruppen sind die Delije von Roter Stern Belgrad und die Grobari von Partizan Belgrad, aber auch bei OFK Belgrad und Vojvodina Novi Sad gibt es größere Gruppierungen. Weiter ist aber zu erwähnen, dass die Wörter Delije und Grobari eher zur allgemeinen Bezeichnung von Fans von Roter Stern Belgrad und Partizan Belgrad benutzt werden. Was auch heißt, jeder Fan von Roter Stern ist somit automatisch ein Delija und ein Fan von Partizan automatisch ein Grobar. Innerhalb der Delijas und der Grobaris gibt es neben unzähligen Fan-Gruppen und Fan-Clubs Ultrà-Gruppierungen. Im Marakana-Stadion von Roter Stern Belgrad sind in ihrer „Nordkurve“ die Stühle so eingerichtet, dass sie in rot-weiß und in kyrillischer Schrift das Wort Delije (Mehrzahl von Delija) bilden. Die Benutzung von Pyrotechnik gehört in serbischen Stadien zum Alltag, außerdem kommt es im Umfeld von Fußballspielen häufig zu Gewaltausbrüchen.
Schweiz
Choreopraphie der
YB Ultrà-Bewegung «Ostkurve Bern»
In der Schweiz sind in den letzten Jahren auch bei den meisten erstklassigen Vereinen Ultrà-Gruppierungen entstanden; die wichtigsten sind in Basel, Bern, Zürich, Sion, Luzern und St. Gallen beheimatet. In Zürich findet man die Ultràs vor allem in der sogenannten „Zürcher Südkurve“, welche den FC Zürich unterstützt. Sie sind in der ganzen Schweiz bekannt für sehr kreative und aufwändige Choreographien. Auch beim Stadtrivalen Grasshoppers Zürich (GC) gibt es zwei große Ultrà-Gruppierungen (Blue Side, Bulldogs) in der sogenannten „Estrade Ost“. Zu erwähnen sind auch die Zaungäste und BWEL, welche den FC Luzern unterstützen, die Ultras Sion, Freaks Sion oder Red Side des FC Sion, die „Greenflash“, „Jokers“ und die „Green-Fires“ beim FC St. Gallen in der Südkurve und die Ultrà Gruppierungen in der Ostkurve Bern der Young Boys Bern wie Maniacs, Schurken oder Capital Followers.
Hervorzuheben sind auch die Inferno Basel vom FC Basel, die in der „Muttenzer Kurve“ beheimatet sind. Obwohl die Basler Fans für ihre aufwendigen Choreos bekannt sind, machte die Basler Szene auch immer wieder negative Schlagzeilen. Nach der knapp verpassten Meisterschaft 2006 (letztes Spiel) im eigenen Stadion gegen den FC Zürich zu einem Platzsturm und Ausschreitungen im und außerhalb des Stadion kam, nachdem der FC Zürich in der 93. Minute das meisterschaftsentscheidende Tor schoss. Die Basler Ultràszene ist für ihre Krawalle bekannt; so wurde der Gästesektor im Stadion Hardtum der Grasshoppers Zürich mehrmals in Brand gesetzt und dadurch Sachschaden verursacht.
Am 5. Dezember 2004 kam es in Zürich am Bahnhof Zürich-Altstetten (wenige Wochen nach den verheerenden Krawallen in Zürich) zu einer umstrittenen Polizeiaktion. Vor dem Spiel Grasshoppers Zürich - FC Basel wurden um die 450 Basler Fans (darunter viele Ultrà-Anhänger), die mit einem Sonderzug anreisten, von der Zürcher Polizei zum Teil bis zu 24 Stunden zur Untersuchung festgehalten. Diese übertriebene Aktion löste in der ganzen Schweiz scharfe Kritik gegenüber der Zürcher Polizei und der Stadt Zürich aus.
Ende 2006 kritisierten viele Schweizer Städte die Liga und die Vereine, weil der größte Teil nichts an die inzwischen notwendig gewordenen hohen Ausgaben der Städe für die Sicherheit (ab 100.000 CHF pro Heimspiel) bezahlt. In den letzten Jahren wurde die Gewalt bei Schweizer Fußballspielen (von Ultràs und Hooligans) von Medien und Politik stärker als früher registriert und ist deshalb heute ein großes Gesprächsthema.